Breese ertrinkt im Stepenitzrückstau
22. Januar 2011 | von Birgit Hamann, Barbara Haak
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Bernd Ilgeroth watet durchs Stepenitzwasser zu seinem Hauseingang in der Trift in Breese. Nicht nur sein Anwesen ist überspült. Dieser Bereich von Breese gleicht einer Seenlandschaft. Einen Hochwasserschutzdeich gibt es nicht.Birgit Hamann (2)
BREESE - Bernd Ilgeroth ist alles andere als amüsiert. In seinen Gummistiefeln watet er vom Hauseingang zur Straße, um sich halbwegs trockenen Fußes über das zu unterhalten, was man im Hintergrund sieht: Wasser. Der Druck in seinem Keller sei inzwischen so stark, dass der Fußboden hochkomme. Das dritte Mal innerhalb von knapp neun Jahren ertrinkt sein Grundstück in den Fluten der Stepenitz. Diese häufig aufeinander folgenden Hochwasserereignisse kennt der Breeser aus der Vergangenheit nicht. "Ich bin hier, gleich nebenan, geboren." Überhaupt möchte er gar nicht so gern in die Zeitung - es sei denn, man könne damit den Bau des seit Jahren versprochenen Deiches beschleunigen …
"Minister Woidke hat uns 2002 den Deichbau in die Hand versprochen", erinnert sich Gerd Riek. Damals habe er mit anderen Betroffenen eine Bürger initiative ins Leben gerufen, die den Deichbau forcieren wollte. Das Versprechen aus 2002, es wurde bis heute nicht eingelöst. "Mein Keller ist voller Wasser. Noch 18 Zentimeter und es steht in der Wohnung", sagte Gerd Riek gestern Vormittag. Seine Heizungsanlage befände sich Gott sei Dank im Parterre, funktioniert also noch. Anders das Abwasser und die Fäkalentsorgung: Wie der Westprignitzer Trink- und Abwasserzweckverband (WTAZV) gestern bestätigte, wurde in den Bereichen, in denen "Land unter" ist, eine so genannten Blase gesetzt. Das heißt: Die betroffenen Anwohner entsorgen ihr Abwasser nun manuell in geeigneten Gefäßen über einen Einwurfschacht. "Unsere Pumpen schaffen es nicht mehr", so Detlef Gottwald vom WTAZV. "Wir werden dann wohl jetzt regelmäßig zu unseren Kindern gehen, um uns mal zu duschen. Sie wohnen in Wittenberge", sagt Gerd Riek. Wütend ist er nicht - und wenn, dann nur darüber, dass man es bis Januar 2011 noch immer nicht geschafft hat, den ersehnten Deich zu errichten. So, wie es damals, nach der Flut 2002, relativ schnell in Weisen geschah. Dabei, so Riek, treffe weder den Breeser Bürgermeister, noch die Gemeindevertretung oder den Amtsdirektor irgendeine Schuld. "Die bemühen sich wirklich redlich", erkennt er an und fordert zugleich, dass man nun aber endlich mal mit dem Deichbau beginnt, den Baustart nach Möglichkeit vorzieht. Speziell für die Anlieger der Perleberger Straße und der Trift sei es bereits fünf nach zwölf. "Seit nach dem Hochwasser 2002 der Straßenkörper erhöht wurde, befinden wir uns hier quasi in einer ,Badewanne', das Wasser kann nicht mehr ins Unterdorf laufen", sagt Gerd Riek und bekräftigt gleichzeitig, dass die Fluten natürlich auch nicht ins Unterdorf laufen sollen. Er fordert jedoch Verständnis für die Breeser in den überfluteten Gebieten ein - deren Situation sich in den vergangenen Jahren, nicht nur durch Straßen-, sondern auch durch Deichbaumaßnahmen im Umland erheblich verschärft hat. "Mit jedem Hochwasser gehen auch immer Werte verloren", sagt Gerd Riek. 1980 zog aus er aus Chemnitz in die Prignitz. Eine wundervolle Gegend sei das hier - wenn sie nicht gerade vom Rückstau der Stepenitz komplett überflutet sei. Schaden entsteht regelmäßig auch Bernd Ilgeroth. "2002 erhielt ich einen kleinen finanziellen Ausgleich, habe damit den Sanierputz bezahlt", blickt er zurück. Mit einem Schadensausgleich rechnet er in diesem Jahr nicht, wird sich - wenn der Pegel gesunken ist - wieder selbst an die Reparaturarbeiten machen. Vielleicht, so mutmaßt er, sitzen an den entsprechenden Schaltstellen zu wenige oder nicht die richtigen Leute. Sonst stünde Breese vermutlich nicht schon wieder am Rande einer Katastrophe.
Etwas gegen die mögliche Katastrophe tun, das Dorf schützen, auch das eigene Haus und die Wohnung: Das sind die Gründe, weshalb zu mitternächtlicher Stunde Andreas Schneidereit und Sven Küchler in der Wittenberger Straße pa trouillieren. Sie kontrollieren die Sandsack reihe, haben ein Auge darauf, ob irgendwo Wasser durchsickert. Die beiden sind Deichläufer wie viele ihrer Mitbürger in Breese auch. "Ich war erstaunt und erfreut, dass sich auf unsere Bitte hin schon nach einer Stunde über 50 Freiwillige dafür gemeldet hatten", sagt Breese Bürgermeister Werner Steiner. Das zeuge vom Verantwortungsbewusstsein der Bürger.
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Ehrenpräsident Prignitz Herold e.V.
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