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Ungelesener BeitragVerfasst: Mo 2. Nov 2009, 17:30 
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Registriert: So 18. Okt 2009, 10:00
Beiträge: 2447
Liebe Heraldikfreunde,
liebe Vereinsmitglieder,

im Jahr 2008 entstand unserer Verein in der Prignitz , die Mitglieder waren Auszubildende zu diesem Zeitpunkt, zwar mit der Denkmalpflege beruflich verbunden ,jedoch jung an Jahren. In der Phase der Abfassung der Satzung wurde abends und in Schulpausen diskutiert und dann zur Vereinsgründung, mit Hilfe eines Notares ,ersteinmal ein Satzungsendpunkt gesetzt. Damit ist jedoch die Diskussion nicht beendet.

Auch in Anfragen an den Verein kommt immer wieder ein Thema hoch: Tradition in der Heraldik - was bedeutet dies für mich als Freizeitheraldiker?_ Interesse an der Heraldik haben kurz gesagt, nicht der Beruf-als Wappenstifter- als Berufsheraldiker- als Künstler - als Vater von Töchtern usw. nun genau. Wieviel Tradition möchte ich an mich " heranlassen ", was bedeutet Tradition in der Wappenstiftung, verbinden sich- "vertragen "sich der Anspruch der Trádition mit der notwendigen Veränderung der Gesellschaft...? Fragen über Fragen

lat. tradere als hinüber geben
traditio als Übergabe

Tadition ist kulturelles Erbe von Generation zu Generation übergeben. Die Tradierung ist der Prozess der Überlieferung selber. Oft wird dies vereinfacht als Sender - Empfänger-Modell gedeutet, seit Luther ist jedoch bekannt ,es gibt Subjekte des Prozesses: Tradent-Akzipient-Modell.Reicht dies ?

Die Heraldik krankt daran ,dass erfundene Traditionen /invent traditions/ zur Legitimierung bestimmter Dinge und Handlungsweisen aufgestellt werden. Ganze Vereine leben von frei erfundenen Traditionen, jedoch alle Traditionen sind sozial konstruiert.Das römische Recht faßte Tradition als Übergabeakt einer beweglichen Sache- Stichwort Vererbung& Kauf, auch die Abgrenzung des öffentlichen vom Privatrecht wurde formuliert, jedoch es gibt kaum Traditionsbezüge im öffentlichen Recht, gerade alles heraldische Geschehen ist und war immer Privatbereich. Oft wird Tradition als Mittel der Abgrenzung gebraucht oder mißbraucht.Nach Max Weber, wäre Tradition immer der Glaube an die Unverbrüchlichkeit, des immer so gewesen -als solches. Jedoch historisch betrachtet ,sind von Vereinen geführte Wappenrollen ,etwas modernes ,ein Bruch mit der Tradition des Heroldsamtes, Abschaffung des kaiserlichen Wappenbriefes des Altreiches von 1806 und um diesen Bruch nicht offen darzustellen ,wird eine Tradition erfunden ,die es für bürgerliche Wappen so nie gab.Zu keinem Zeitpunkt ,gab es gesetzlichen Schutz für bürgerliche Wappen ,trotz der zahlreichen Wappenbriefe für bürgerliche Kreise.Moderne Gesellschaften sind dadurch gekennzeichnet ,dass jedem freigestellt ist ,welche Tradition er wählt und siehe der Wunsch nach Wappenführung ist ungebrochen, hat tatsächlich Tradition im Kulturkreis Mitteleuropa.

Wir leben im Prinzip in einer posttraditionalen Gesellschaft, mit immer mehr Wappen in Wappenrollen, mit ständig wachsenden Forenbesuchern. Dies spricht im Prinzip gegen die Begriffbestimmung von Weber...Traditionen müssen richtig verstanden ,nicht trennen, sondern verbinden. Pieper wertete Tradition als Vorgang lebendiger Übermittlung einer höchst dynamischen Sache und stellt sie nicht auf eine Stufe mit dem Konservatismus ,ohne diesen zu leugnen.Demnach ist die Gründung eines heraldischen Vereins durch Jugendliche kein Traditionsbruch, sondern der Vorgang lebendiger Übermittlung einer höchst dynamischer Betrachtungsweise auf Wappen, auf Wappenstiftung und Familienforschung allgemein . Viele entstandene heraldische Vereine sind von Personen gegründet worden, deren berufliche Wurzeln im ersten heraldischen Verein standen, Vereine in Abgrenzung von diesem.
Der Prignitz Herold ist ein völlig traditionsloser Verein, kein Gründungsmitglied schied irgendwo im Ärger aus, jedoch gerade diese Bezugsebene stellt uns als Traditionswahrer in einer posttraditionalen Welt der Öffentlichkeit dar. Wir können ohne Rücksicht auf historisch entstandene Vereinsmeinungen die Heraldik als Wissenschaft und Kunst befragen, wir sind nicht verpflichtet, bei der Familienforschung die männliche Linie herauszustellen. Wenn im Beitrittsgebiet über 50 % der Kindern außerhalb von Ehen geboren werden, steht die Weitergabe des Erbes über Mütter im Vordergrund und nicht die vermeintliche Determination der Familie über Männer...Tradierung ,also der Prozess der Überlieferung selber ,steht im Mittelpunkt der Betrachtung, dabei sind fremdbestimmte erfundene Traditionen über Bord zu werfen, Traditionen sind sozial konstruiert- auch von Vereinen und wenn sich der Träger ändert ,ändern sich die Traditionen, jedoch auch an bewehrtem wird festgehalten. Das Wappen hat in den letzten 800 Jahren eben nicht an Tradition verloren, im Gegenteil, immer breitere Schichten der Bevölkerung beanspruchen ein solches für sich, am Anfang stand :Jeder kann ein Wappen völlig frei annehmen - genau dort stehen wir wieder, in bewährter Tradition.Das Wappenwesen als höchst dynamsche Wissenschaft kann sich bewußt den Veränderungen stellen, wir möchten unseren Beitrag dazu leisten , auch mit dieser Diskussion.Heraldik als Hilfswissenschaft darzustellen hat Tradition, diese Sicht ist, als falsch abzulehnen, ohne wenn und aber = Wissenschaft

Viele Fragen, es gibt nur persönliche Antworten darauf. Um diese Sammlung persönlicher Antworten geht es uns heute und hier...

Ingo Bodin


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